Texte zu meiner Arbeit
Martin Goerg – Gefäßobjekte
Als gelernter Scheibentöpfer bin ich schon lange mit der Erstellung von keramischen Gefäßen vertraut. Das Drehen auf der Scheibe erlaubt es mir, relativ schnell und einfach kontrollierte Formen anzufertigen. Deren Verhältnisse von Volumen, Höhe, Durchmesser, Größe der Standfläche oder der Öffnung, ihr Formverlauf, ob sich öffnend oder schließend, dieses sind alles Parameter, welche aufeinander wirken und die Erscheinung eines Gefäßes als Form bestimmen.
Damit umzugehen bestimmt ein Großteil meiner täglichen Arbeit, er schult mich permanent und verändert sich aber auch im Laufe der Zeit. Hierbei spielt es keine Rolle, ob es sich um ein spezifisch funktionales Gefäß handelt, oder um eine freie Gefäßform ohne praktische funktionale Zuordnung.
Die gedrehte Form dient und diente mir auch als Ausgangsform um weiter verändert zu werden: verformt, geschnitten und neu kombiniert, oder mehrere Teile montiert.
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Gefäße der Differenz
Über die Arbeiten des Keramikers Martin Goerg
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Unverbrüchliches Grundthema des Keramikers Martin Goerg ist das Gefäß – im weitesten Sinne allerdings, denn seinen Arbeiten aus Steinzeug ist eine Funktion ohne weiteres nicht mehr zuzuordnen: Diesen voluminösen, walzenartig ausladenden, die Elementarform des Zylinders zumeist in leicht konischer Modulation variierenden, ganz selten quadrierten Keramiken eignet eine geradezu auratische Monumentalität, die sie, unabhängig von ihrem tatsächlichen Format, im Raum vereinzelt wie kultische Objekte: Sie scheinen in ihrer an Naturwüchsigkeit grenzenden Entschiedenheit den Raum auf sich zu beziehen, geradezu zu entleeren und durch diese vage doch vehemente Bedeutung von einem ganz bestimmten, aktuell aber nicht benennbaren Zweck zu zeugen. Mit ihrer großflächigen, fast abweisend groben Außenwandung, der nach dem harten Schulterumbruch die kleine, mattweißglänzende Innenmulde von geradezu absurd geringer Tiefe einliegt, wirken sie wie massive raue Körper, die das Thema des Gefäßes funktional auf ein Minimum reduzieren, es gerade noch anklingen lassen, um in solch radikaler Zurücknahme grundlegend formale wie materiale Eigenheiten des keramischen Gefäßes zu thematisieren und zu reflektieren.
Es ist die von keramischen Gegensätzen durchzogene materiale Präsenz, die die augenscheinlich unelegant und klotzig dastehenden Gefäßreflexionen Martin Goergs ungemein faszinierend macht. Obwohl aus Einzelformen gedrehte und montierte oder gebaute Doppelwandgefäße, demonstrieren sie durch ihre vorgebliche Massivität die Grundeigenschaft eines Gefäßes, als Körper selbst Raum im Raum zu beanspruchen. Durch den minimierten Hohlraum aber machen sie zugleich deutlich, dass ein Gefäß nicht nur Körper im Raum sein kann, sondern zugleich in sich einen aufnehmenden Raum eröffnen muss, der ein Gut, etwas von Wert zu bergen vermag. Um dieses Wesen des Gefäßes eigens hervortreten zu lassen, wird der Hohlraum hier minimiert, buchstäblich aus dem Inneren hervorgehoben und so in ein, von Gefäß zu Gefäß verändertes, an keinem Zweck orientiertes Verhältnis zur Gesamtform des Körpers gebracht. Gerade die irritierende Unnutzbarkeit dieses Residuums an Hohlraum zwingt zum Nachdenken über das Wesentliche des Gefäßes. Martin Goerg betont diese Grundeigenschaft noch mit der hart kontrastierenden Oberflächenbehandlung seiner Arbeiten. Die changierend monochrome Außenwandung des gesamten Körpers wurde mit einer Behautmasse aus Ton und groben Bestandteilen überzogen, aus der Quarz-, Basalt- oder Bimskörner im reduzierenden und gesalzenen Brand bei etwa 1250° C teilweise herausschmelzen oder aufbrechen und dem Ganzen die Anmutung von steinerner Borke oder anorganischer Verwitterung verleihen. Dem gegenüber und doch zentral einverleibt schimmert die feine trübweiße Feldspatglasur in der gefassten Preziosität des samtweichglatten Innenraumes: Inmitten der schrundig schweren Körpermaterie von schierer Natürlichkeit erscheint die edle Essenz einer raffinierten keramischen Kultur.
So sind es die innerhalb eines vergleichsweise engen formalen und technischen Konzeptes in unablässiger Variation fruchtbar abgewandelten Gegensatzpaare – Körper/ Raum, Innen/ Außen, groß/ klein, rau/ glatt, unedel/ edel, Natur/ Kultur, Zweckgebundenheit/ Autonomie –, die mit jeder dieser Keramiken die Grundfragen des zeitgenössischen Gefäßes aufrufen, sowohl seine Geschichte evozieren als auch seine Aktualität behaupten. Dies wahrzunehmen ist die Forderung, die an den Betrachter ergeht. Einfach wird es diesem dabei freilich nicht gemacht: Einem herkömmlichen Begriff von Schönheit durchaus entgehend erschließt sich der Reiz der Arbeiten Martin Goergs nur dem, der ihre materielle Differenzierung auch in Nuancen zu schätzen und ihre insistente Frage an das keramische Gefäß als Thema zu vernehmen vermag.
Dr. Walter Lokau, Bremen 2013